Die Ingenrieder und der Wiesheiland

 

 

Ein ganz besonderes Verhältnis hatten und haben die Ingenrieder auch heute noch zur Wies. Das rührt nicht allein daher, dass beide unter der gleichen steingadischen Grundherrschaft standen und anläßlich der 600 jährigen Zugehörigkeit mit so großzügigen Jubiläumsgeschenken bedacht worden waren.

Früh schon hatte man auch in Ingenried von den „Gutthaten und übergroßen Gnaden der Bildnuß Deß gegeißletenn Heiland auf der Wis" erfahren. Und so zählten die Ingenrieder von Anfang an zu „der großen Menge Volcks", das schon bald zur 1739 errichteten Feldkapelle beim Hof der Loribäuerin wallfahrtete, um vom „wunderbaren Gnadenbildnuß" Hilfe in den vielen Nöten zu erlangen. 1746, Jahre vor der Weihe der Wieskirche, ist im Mirakelbuch der Wies unter der Nummer 181 bereits zu lesen: „Hülff am Vieh. Peter Scholder von Ingenriedt gibet den 13. Wintermonaths zu ver-nemmen, dass er ein kranckhes,und mit der sogenannten Niesen behafftes Vieh gehabt, welches jedermann für verlohren gehalten, seye jedoch auf geschehene Verlobnuß alsobald besser worden".

Deshalb waren am 31. August 1749 im großen Wallfahrtszug auch die Ingenrieder in schönstem Festgewand und mit Kreuz und Fahne bei der Übertragung des Gnadenbildes in den fertiggestellten Chor der Wieskirche zahlreich vertreten. Dieses Ereignis ist in der Wies noch heute auf dem Prozessionsbild des 1764 verstorbenen Bernbeurer Malers Bernhard Ramis zu betrachten:"10 dass Creytz von Ingenried" folgte im Prozessionszug unmittelbar der Infanterie von Kohlgrub.

Diese feierliche Übertragung des Gnadenbildes, bei der die Ingenrieder Pfarrgemeinde im Ablauf fest eingebunden war, wird wohl der Beweggrund für die folgenden jährlichen Bittgänge der Pfarrei in die Wies gewesen sein. Der erste Bittgang vom Jahre 1754 ist auch in der Wieschronik festgehalten:"Am 9. Mai des Jahres 1754 haben die Ingenrieder unter Führung ihres Pfarrvikars, des Hochwürdigen Herrn Leopold Kurz, Prämonstratenserpater von Steingaden zum erstenmal einen Bittgang in die Wies gemacht". Daß eine Figur des „gegeißelten Heilands auf der Wies" auch in der Ingenrieder Pfarrkirche zu finden ist, verwundert also nicht.

Die Pfarrkirche St. Georg hat an ihrem Bittgang in die Wies am Tag nach Christi Himmelfahrt hartnäckig festgehalten, auch dann noch, als Ende des 18. Jahrhunderts der Bayerische Kurfürst, durch die Aufklärung veranlaßt, viele Fest- und Feiertage, Prozessionen und Wallfahrten bei Strafandrohung abschaffte. Auch die Aufforderung des königl. Landrichters Stocker zu Oberdorf vom 17. Februar 1842 an die Gemeinde, „das Verboth der abgewürdigten Feyertage pflichtgemäß zu handhaben", hielt die Ingenrieder Bauern nicht ab, weiterhin ihre kirchlichen Feste zu feiern und einmal jährlich in die Wies zu wallfahrten. Dies war auch der politischen Gemeinde wichtig, die diesen Bittgang jedes Jahr vom Gemeinderat neu beraten und beschließen ließ. An der Empore der Pfarrkirche ist der Wallfahrtszug vom Maler Kutruff 1939 festgehalten worden.

Die Wieswallfahrt hat auch heute noch einen hohen Stellenwert im Dorfleben. Zwar kommen wohl kaum mehr „Heuschrecken in solcher Menge angeflogen, dass sie die helle Sonne in Ingenried verdunkelt haben", wie im Juni 1752; auch schlimme Mäuseplagen wären kein Grund mehr für eine Wallfahrt. Aber auch in unserer Zeit gibt es genug Anliegen und Nöte, die uns zum Wiesheiland hinführen.

 

Auzug aus der Festschrift "Sankt Georg in Ingenried 1754- 2004"

von Pörnbacher Hans, "Die neue Wallfahrt auf der Wies"